Die Münchner Amtsrichterin Andrea Krombholz hat am 12. August drei „identitäre“ Naziburschen zu skandalös niedrigen Strafen verurteilt (813 Ds 112 Js 161678/23). Zwei weitere aktive Naziburschen wurden wegen des gleichen Vorfalls gesondert strafverfolgt: Hendrik Hebestreit von der „Burschenschaft Danubia München“ und Simon Thiele von der „Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“. Beide „Burschenschaften“ sind – wie alle anderen in diesem Text – Mitglied im Nazidachverband „Deutsche Burschenschaft“.
Am 25. März 2023 hatten AbtreibungsgegnerInnen zum dritten „Marsch für das Leben“ nach München mobilisiert und rund 4.000 radikale Rechte kamen. Vor dem Aufmarsch der Christenfundis hatten die „Christdemokraten für das Leben“ aus CDU und CSU zu einem „Frühschoppen“ im Hansa Haus in der Nähe des Königsplatzes geladen. Darunter waren die fünf Nazis, von denen drei nun in München vor Gericht standen. Auf der Veranda wurde ein Gruppenfoto von ihnen mit „White Power“-Gesten aufgenommen.
Am Samstagnachmittag nach dem Aufmarsch drangen die fünf Nazis in ein Zimmer in einem Studentenwohnheim in der Maxvorstadt ein. Sie verwüsteten das Zimmer und stahlen eine Regenbogenfahne sowie Weingläser. Lina Dahm, die den Prozess beobachtet hat, schreibt, was dann passierte:
„Später sollen sie im Englischen Garten Passant*innen aufgefordert haben, auf die Pride-Fahne zu treten. Einer rief ,Heil Hitler‘, es kam zu antisemitischen und queerfeindlichen Beleidigungen. Laut Anklage wurde u.a. geäußert, man wolle ,die Juden auch verbrennen und das großdeutsche Reich aufbauen‘. Die Abendzeitung berichtete damals über die Hassparolen am Monopteros. Hans [Fischer], einer der drei Angeklagten, gab im Prozess außerdem zu, sich im Mai 2023 beim Frühlingsfest mit einem Hitlergruß von seinen FreundInnen verabschiedet zu haben.“
Eine der antisemitischen und queerfeindlichen Äußerungen der Angeklagten war, dass „Gleichgeschlechtlichkeit“ von der Regierung und „dem Judenreich“ aufgezwungen werde.
Angeklagt waren Hans Fischer von den „Raczeks“, Marvin Sander von der „Burschenschaft Gothia Salzburg“ und Leander Huber von der „Burschenschaft Arkadia-Mittweida zu Osnabrück“, ehemaliges Mitglied des niedersächsischen JA-Landesvorstands. Alle drei wurden wegen Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Diebstahl angeklagt, Fischer zusätzlich wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie Volksverhetzung.
Fischer wurde von Rechtsanwalt Andreas Wölfel von der „Burschenschaft Thessalia Prag zu Bayreuth“ verteidigt, Leander Huber von der Rechtsanwältin Christina Reinhart aus Wölfels Kanzlei. Marvin Sanders Verteidiger war der Freiburger Nazianwalt Dubravko Mandic, der einige Jahre lang und 2022 endgültig aus der „Burschenschaft Saxo-Silesia Freiburg ausgeschlossen wurde.
Bei „Wotan“, so Sanders „Biername“ in Burschenkreisen, handelt es sich um einen „aktiven Bursch“ der „Burschenschaft Gothia Salzburg“. Doch ursprünglich stammt der 1997 geborene Marvin Sander aus Kassel. In Österreich nahm Sander an diversen Aufmärschen der „Identitären Bewegung“ teil und pflegt Kontakt zu anderen IB-Kadern. Auf dem Salzburger Mozartplatz hetzte Marvin Sander 2020 mit anderen „Identitären“ gegen „Asylmissbrauch“ und propagierte „De-Islamisierung“. Bis mindestens 2021 war Sander Schriftführer des „Ring Freiheitlicher Jugend“ und kandidierte 2023 als Spitzenkandidat der FPÖ-Studenten zur ÖH-Wahl an der Universität Salzburg.
Sanders „Gothia“ hat rund vierzig „Alte Herren“ und besitzt ein Stadthaus in bester Lage mitten in Salzburg. Die deutschnationale Sonnwendfeier am 21. Juni im Salzburger Flachgau, bei welcher der AfD-Bundestagsabgeordnete Alexis Giersch von der „Burschenschaft Germania Hamburg“ die „Feuerrede“ hielt, wurde hauptsächlich von Reinhard Rebhandl organisiert, dem „Altherrenvorsitzenden“ der „Gothia Salzburg“. Neben Giersch haben auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Christoph Birghan von der „Burschenschaft Gothia Berlin“ und der rheinland-pfälzische AfD-Landtagsabgeordnete Joachim Paul von den „Raczeks“ teilgenommen.
Diese ganzen Hintergründe und was Antifas sonst noch alles über die Nazis, ihre Bünde, ihre Anwälte und deren Bünde veröffentlicht haben, spielten vor Gericht wie so oft keine Rolle. Geurteilt wurde nach Gesinnung:
„Der Prozesstag heute war schon nach etwas über einer Stunde beendet. Grund: Gleich zu Beginn gab es ein längeres Rechtsgespräch, das die Beweisaufnahme aus Sicht des Gerichts, der Staatsanwaltschaft und der AnwältInnen entbehrlich machte. In der Folge wurden die Vorwürfe wegen Hausfriedensbruchs, Diebstahls und Sachbeschädigung bei [Huber] und [Sander] gegen eine Zahlung von je 300 € eingestellt.
Bei [Fischer] wurde der Vorfall im Wohnheim wegen der schwerer wiegenden Anklagepunkte fallengelassen. Hans [Fischer] wurde nach einer Einlassung zum Geschehen im Englischen Garten und beim Frühlingsfest zu 120 Tagessätzen à 15 € verurteilt. Sein Anwalt führte an, [Fischers] Verhalten sei vor allem auf den exzessiven Alkoholkonsum zurückzuführen. Nüchtern würde er sich nicht so verhalten.
Trotz mehrerer, teils schwerwiegender Vorwürfe fielen die Strafen also gering aus. Zeug*innen zeigten sich nach dem Prozess entsprechend betroffen und fassungslos – sowohl wegen der milden Strafen als auch wegen des Umgangs mit ihnen als Betroffene. Gründe für die niedrigen Strafen waren, dass die Angeklagten keine Vorstrafen hatten und geständig waren. Auch die lange Verfahrensdauer und der Alkoholeinfluss wurden genannt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.“