Sonntag, 27.07.2025

Die 3. Strafkammer des Landgerichts Gera hat die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung gegen den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Gera Bengt Fuchs abgelehnt (Az. 3 KLs 122 Js 25023/24). Laut Geschäftsverteilungsplan besteht die 3. Strafkammer aus der Vorsitzenden Richterin Heike Schwengber, der stellvertretenden Vorsitzenden Richterin Sarah Scharnigg sowie der Richterin Rebecca Burgau.
In der Pressemitteilung des Landgerichts wird die Bezeichnung „Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche“, die Fuchs für Sinti und Roma verwendete, zwar als Verächtlichmachung einer Volksgruppe charakterisiert, doch dies sei kein Angriff auf deren Menschenwürde. Das ist offensichtlich falsch.
Vor dem Hintergrund der Verfolgung von Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus ist die Entscheidung der rechten Richterinnen von Gera skandalös. Durch derartige Gerichtsbeschlüsse wurde damals und wird heute offenem Antiziganismus Vorschub geleistet, der schon einmal in einem Genozid endete. Da helfen auch keine wohlfeilen „ausdrücklichen Distanzierungen“: Taten sprechen lauter als Worte.
„Die Kammer hat die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, da der angeklagte Sachverhalt keine strafrechtlichen Tatbestände erfülle, insbesondere nicht den Tatbestand der Volksverhetzung. In ihrem Beschluss distanziert sich die Kammer ausdrücklich von der in dem Kommentar verwendeten Ausdrucksweise und betont deren Verächtlichkeit. Nach Überzeugung der Kammer werde durch die angeklagte Ausdrucksweise unzweifelhaft die Volksgruppe der Sinti und Roma verächtlich gemacht.
Es fehle jedoch an dem für die Strafbarkeit erforderlichen Angriff auf die Menschenwürde des betroffenen Bevölkerungsteils, welcher sowohl nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB als auch § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB erforderlich sei.
Für einen strafbaren Angriff auf die Menschenwürde genüge nicht jede Beeinträchtigung der Ehre oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines anderen. Erforderlich sei, dass die feindselige Äußerung den Menschen im Kern seiner Persönlichkeit treffe, indem er unter Missachtung des Gleichheitssatzes als minderwertig dargestellt und ihm das Lebensrecht in der Gemeinschaft bestritten werde, er gewissermaßen in den Objektstatus versetzt werde.
Durch die gegenständliche Äußerung werde die Volksgruppe der Sinti und Roma zwar dem Sinngehalt nach als reisende Diebesbande verunglimpft, jedoch würden diese hierdurch nicht als unterwertige Wesen charakterisiert. Die Äußerung verletze in diskriminierender Weise durch die Zuschreibung diskriminierender Eigenschaften (Straftäter) zwar den sozialen Geltungsanspruch der Betroffenen. Jedoch werde nicht – was für einen Angriff auf die Menschenwürde erforderlich wäre – ihr Lebensrecht in der Gemeinschaft abgesprochen oder diese als minderwertig dargestellt.“

Die Staatsanwaltschaft Gera hat sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vor dem Thüringer Oberlandesgericht in Jena eingelegt.
PM: Linkspartei
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